im ersten teil unseres interviews mit dem dmy-gründer joerg suermann haben wir über das design festival dmy an sich und den plan, das dmy als globales netzwerk zu etablieren, gesprochen. im zweiten teil gehen wir an den kern der sache und wollen über den aktuellen stand von design in berlin reden.
minimumblog: der berliner senat hat kürzlich das buch „strategie für die designwirtschaft in berlin“ herausgegeben. was ist davon zu halten?
joerg suermann: ich finde, es gibt zu wenige ergebnisse innerhalb der studie. es ist mehr eine bestandsaufnahme. sehr viel wird darin angerissen, aber es ist nicht tiefgehend genug und für mich ist darin keine „strategie“ zu erkennen. ich denke es ist gut, dass sich einer die arbeit gemacht hat, aber ein paar eindeutigere resultate wären schön gewesen.
das nächste ist, wenn man eine design studie in auftrag gibt, muss man ja einen grund dafür haben. die mittel für die kreativwirtschaft in berlin werden in den nächsten jahren gekürzt werden, was zu der frage führt, wie man eine designstudie umsetzen will, wenn es dafür gar kein budget gibt. insofern bin ich nicht sicher, wie sinnvoll das ganze für die branche wirklich ist.
berlin hat zudem zahlreiche aktive designinstitutionen vorzuweisen: create berlin, idz, dmy, die unis, projekte wie betahau etc. ich hätte mir gewünscht, dass über so eine „design strategie“ diese akteure mehr in den vordergrund rücken und man überlegt, wie man diese projekte langfristig unterstützen kann, sodass sie wiederum nachhaltig arbeiten und erfolge für die berliner designszene erzielen können.minimumblog: in sachen dmy scheint es so als gäbe es jedes jahr diskussionen über die finanzierung. wieviel finanzielle unterstützung erhaltet ihr von den lokalen behörden?
joerg suermann: wir erhalten keine direkte finanzielle unterstützung mehr vom senat, was ein problem für uns darstellt und eine situation ist, die ich sehr kritisch sehe. ich denke, es ist eine schande, dass es dafür keinerlei rechtliche grundlage gibt, da das festival schließlich das schaufenster für berliner designer ist. zusätzlich zum festival selbst haben wir noch ca. 50 satelliten-ausstellungen und sehr geringe teilnahmegebühren für berliner designer, was bedeutet, dass wir quasi eine art lokalmarketing für die berliner design-community betreiben. in den vergangenen neun jahren haben wir geholfen berlin international als design-stadt groß zu machen und eine infrastruktur für die stadt zu schaffen; insofern ist es ein unding, dass wir keine langfristige unterstützung erhalten.
minimumblog: im designbericht gab es den vorschlag, das dmy in zwei festivals zu splitten – ein experimentelles und ein industrielles. im oktober erwartet uns dann die qubique…
joerg suermann: ich halte diese formulierung für sehr unglücklich, nicht zuletzt weil sie das geschrieben haben, ohne nach unserer meinung zu fragen. der senat kann nicht schreiben, dass sie den nicht-kommerziellen teil des dmy beibehalten wollen, ohne aber eine finanzielle unterstützung anzubieten und dabei außerdem zu sagen, dass die, die in der lage sind etwas zu zahlen, auf andere veranstaltungen gehen sollten. das ist lächerlich.
im prinzip halte ich die idee von der qubique für sehr interessant, aber ich denke auch, dass es eine antwort auf die arbeit ist, die wir in den letzten zehn jahren gemacht haben. vor acht oder zehn jahren gab es keine basis, auf der man eine kommerzielle möbelmesse in berlin hätte aufbauen können. die messe berlin war seit 15 jahren daran interessiert eine möbelmesse zu veranstalten, aber berlin war nie wichtig genug. jetzt ist es das.
ich würde mir eine engere zusammenarbeit mit der neuen messe wünschen, was zurzeit allerdings nicht möglich ist, insofern als wir zu verschiedenen zeiten in der selben location sind. nichtsdestotrotz bin ich sicher, dass beide formate sinnvoll sind, beide haben ihren platz und, wie ich schon sagte, wäre es schön, wenn wir noch enger zusammenarbeiten könnten und uns nicht als konkurrenten sehen würden.minimumblog: heißt das, dass wenn die qubique sagen würde, der oktobertermin funktioniert nicht – lasst uns in den juni ziehen; dass ihr dann froh darüber wärt seite an seite zu arbeiten? das dmy übernimmt dann den jungen, experimentellen part und die qubique den kommerziellen?
joerg suermann: ja. mein wunsch wäre es, kurz nach mailand eine hochkalibrige fachmesse hier in berlin zu haben. mailand ist zurzeit so groß und teuer – und alle internationalen händler sind dort. aber sie kommen nur einmal im jahr nach europa, und wenn sie schon einmal da sind… es wäre also perfekt, wenn wir das dmy in tempelhof halten könnten und jemand anderes würde zur selben zeit eine kommerzielle messe auf dem messegelände organisieren. Ich persönlich denke, dass beide formate, und berlin generell, stark voneinander profitieren würden.
minimumblog: kommen wir zu berlin. was ist zurzeit in der berliner kreativszene besonders interessant?
joerg suermann: aus ökonomischer sicht ist vor allem interessant, was sich derzeit in der gaming industrie tut. wir haben unternehmen in berlin, die jährlich hunderte millionen euro umsetzen. traurigerweise verlassen viele berlin auch wieder, weil sie hier nicht die unterstützung finden, die sie bräuchten. was außerdem interessant zu beobachten ist, ist wie sich das produktdesign in den letzten jahren entwickelt hat und dass international anerkannte designer nach berlin kommen. das ist insofern von vorteil, als die hersteller dadurch nach berlin schauen, wovon wiederum alle profitieren.
minimumblog: und an welchen stellen funktioniert es nicht?
joerg suermann: das größte problem ist für mich, dass der erfolg nicht anerkannt wird – was typisch berlin ist.
wenn jemand erfolgreich ist, verliert er sofort seine glaubwürdigkeit. man gehört nicht mehr zu berlin, weil sich die szene zu einem großen teil dadurch definiert, dass sie arm ist. ich finde das ist sehr schade. selbst international wird berlin als billige, nicht-kommerzielle partystadt wahrgenommen. aber das hilft nicht gerade weiter. ich würde es besser finden, würden die, die in der designbranche erfolgreich sind, das mit mehr selbstbewusstsein zeigen – das würde helfen! im sinne von: „ich lebe in berlin, ich arbeite in berlin, ich feier in berlin – und ich bin erfolgreich.“minimumblog: lassen wir die finanziellen fragen und die mangelhafte anerkennung von erfolg mal außen vor – ist der blick in die zukunft ein zuversichtlicher?
joerg suermann: ich bin zuversichtlich, dass sich die dinge insgesamt zum guten wenden werden. man kann schon ganz gut eine allgemeine professionalisierung in berlin beoabchten. das hat verschiedene gründe; ein wichtiger davon ist aber, dass sich berlin als stadt verändert – insbesondere im hinblick auf den immobilienmarkt. Wohnungen werden teurer, ateliers werden größer und das zwingt designer dazu professioneller zu werden, denn nur so können sie sich behaupten. das wird bedeuten, dass einige leute berlin verlassen werden, weil sie die neue situation nicht akzeptieren können. aber ich halte das für eine normale entwicklung. im großen und ganzen sehe ich das also positiv und denke, dass sich die dinge schon in die richtige richtung entwickeln werden.